Die Weiße Rose AG gedenkt

Sally Perel – der Hitlerjunge Salomon

Sally Perel, geboren am 21. April 1925 in Peine, war ein Jude der sich auf der Flucht vor den Nazis als Volksdeutscher ausgeben musste, um zu überleben.

Seine Verfolgungsgeschichte begann in dem Schuhgeschäft seiner Eltern in Peine, welches durch die Nationalsozialisten verwüstet worden war. Anschließend floh die Familie 1935 nach Polen.

Nach dem Überfall der Deutschen auf Polen 1939 musste Sally Perel ohne seine Familie weiter in die Sowjetunion flüchten. Bei der Trennung sagte seine Mutter „Du sollst leben!“ Dies wollte er umsetzen und verleugnete bei seiner Ergreifung seine jüdische Herkunft und gab seinen Namen mit Josef an.

Er arbeitete dann als deutsch-russischer Übersetzer und später in der Heeresverpflegungsstelle. Dort wurde er Josef Perjell genannt und trug den Spitznamen Jupp.

Nach zwei Jahren in der Wehrmacht wurde er zurück nach Deutschland geholt und von Hauptmann von Münchow adoptiert. Anschließend wurde er auf die Akademie für Jugendführung der Hitlerjugend in Braunschweig geschickt. Da er nun ständig mit dem Nationalsozialismus konfrontiert wurde, begann er immer weiter, sich mit diesem zu identifizieren, so dass er später davon sprach, dass zwei Herzen in seiner Brust schlugen.

Nachdem Sally Perel verarbeitet hatte, was er erlebt hat, schrieb er 1985 ein Buch mit dem Titel „Ich war Hitlerjunge Salomon“ über seine Geschichte.

Am 02. Februar 2023 verstarb Sally Perel mit 97 Jahren in Israel.

Wir als Weiße Rose AG nehmen Abschied von einem Mann, der mit seiner Geschichte viele Menschen berührt hat. Wir durften Sally Perel zweimal als Gast der Scholle begrüßen. Er hat uns eindrücklich von seiner Geschichte erzählt und an uns alle appelliert: „Ihr seid nicht verantwortlich. Aber ihr seid verantwortlich dafür, dass es nie wieder passiert.“

Traute Lafrenz-Page – die letzte Überlebende der Weißen Rose

Traute Lafrenz wurde am 3. Mai 1919 in Hamburg geboren. Im Jahr 1941 trat sie der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ bei, die von den Hans Scholl und Christoph Probst gegründet wurde.

Als Studentin der Medizin an der Universität München brachte sie ihre einzigartigen Fähigkeiten und ihr Engagement für Freiheit und Menschlichkeit in die Gruppe ein. Sie spielte eine bedeutende Rolle bei der Verbreitung von Flugblättern und der Organisation von Widerstandsaktionen der Weißen Rose. Sie nahm aktiv an Diskussionen und Treffen teil und brachte ihre Ideen und Gedanken ein, um den Widerstand gegen das Nazi-Regime zu stärken. Ihr Mut und ihre Entschlossenheit wurden schließlich im Zusammenhang mit den Verhaftungen im Zuge der Verteilung des sechsten Flugblattes von den Behörden entdeckt. Traute Lafrenz wurde 15. März 1943 verhaftet. Trotz der harten Bedingungen im Gefängnis gab sie niemals ihre Überzeugungen auf und blieb bis zum Ende standhaft. Sie verriet keinen der Anderen aus der Weißen Rose und führte die Gestapo soweit es ging in falsche Richtungen.

Nach Kriegsende emigrierte sie in die USA, wo Traute Lafrenz-Page eine Familie gründete und lange als Ärztin arbeitete. 2009 besucht sie noch einmal ihre Heimatstadt Hamburg und trifft dort auf Schülerinnen und Schüler. Gefragt, was sie über rechtsextreme Strömungen und Proteste denkt, sagt sie ihnen (und auch uns): „Da müsst ihr aufpassen und wachsam sein. Seid wach.“ – immer noch ganz im Sinne der Flugblätter der Weißen-Rose und leider immer noch nötig.

Am 6. März 2023, 80 Jahre nach ihrem ersten Verhör durch die Nazis, ist sie nun von uns gegangen. Wir trauern um ein tapferes Mitglied im Widerstand gegen das Unrecht des nationalsozialistischen Regimes. Von Traute Lafrenz lernen wir, dass auch die vermeintlich „stille“ Arbeit im Hintergrund wichtig ist. Wir ehren ihren Mut, der Familie Scholl bis zum Ende beigestanden zu haben.

Mevlüde Genç – Mama und Friedensbotschafterin

Mevlüde Genç wurde am 5. Februar 1943 in Amasya in der Türkei geboren. Mit 30 Jahren zog sie zu ihrem in Deutschland arbeitenden Ehemann Durmuş und lebte fortan in Solingen. Vier Kinder blieben zuerst in der Türkei, drei weitere bekam sie in Deutschland. Sie lebten in ihrem Haus und fühlten sich wohl ihn ihrer neuen Heimat.

Am 29. Mai 1993 wurde das Haus der Familie Genç von Neonazis angezündet und fünf Frauen und Mädchen verloren ihr Leben. Mevlüde Genç trauerte um zwei Töchter, zwei Enkelinnen und eine Nichte. Acht weitere Familienmitglieder erlitten zum Teil erhebliche Brandverletzungen.

Diese Nacht veränderte das Leben der Familie für immer. Doch Mevlüde Genç ließ sich nicht dazu verleiten, aus der Trauer heraus Hass mit Hass zu beantworten. Sie rief zu Liebe und Menschlichkeit auf. Und sie blieb. Sie wollte sich aus ihrer Heimat Deutschland nicht vertreiben lassen. So nahm sie 1995 auch die deutsche Staatsbürgerschaft an, behielt aber die Türkei immer als zweite Heimat im Herzen.

Mevlüde Genç wurde für viele ein Vorbild für den Einsatz gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Ihr größter Verdienst war das Vorleben von Toleranz. „Obwohl ich fünf Kinder und mein Zuhause verloren habe, bezeuge ich trotzdem Zuneigung. Wir sind alle Brüder. Das lässt sich auch durch Verbrennen und Kaputtmachen nicht verhindern.“

Mevlüde Genç starb am 30. Oktober 2022 und hinterlässt uns als Stadtgesellschaft eine große Aufgabe, weiterhin der Opfer des Brandanschlages zu gedenken und ihr Anliegen weiterzuleben.

Wir trauern um Mevlüde Genç. Sie hat und vorgelebt, was Toleranz bedeutet. Im Blick auf die Auszeichnung mit dem „Silbernen Schuh“, die wir in ihrem Beisein 2011 vom Bündnis für Toleranz und Zivilcourage bekommen haben, werden wir uns auch an der Scholle weiter für Menschlichkeit und Miteinander einsetzen.

Teşekkürler Mevlüde Anne seni unutmayacağız – Danke, Mama Mevlüde, wir werden dich nicht vergessen!

Hannah Pick-Goslar – beste Freundin von Anne Frank

Hannah Goslar wurde am 12. November 1928 in Berlin geboren. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten emigrierte die Familie, wie auch Familie Frank, nach Amsterdam. Dort lernten sich Anne und Hannah kennen. Zusammen mit Sanne Ledermann bildeten sie ein unzertrennliches Trio. Sie besuchten den Kindergarten und die Schule gemeinsam.

In ihrem Tagebuch schreibt Anne immer wieder ihre Gedanken an Hannah auf. Sie erfährt im Versteck, dass Hannahs Mutter 1942 eine Totgeburt ihres dritten Kindes erleidet, aber nicht, dass sie daran verstirbt.

1943 wird Hannah zusammen mit ihrer Familie von der Gestapo verhaftet und über das Lager Westerbork nach Bergen-Belsen deportiert, wo sie im März 1945 Anne Frank wiedertraf. Jedoch ist Anne in einem anderen Lagerbereich untergebracht, so dass es nur einige wenige nächtliche Begegnungen am Stacheldraht-Verhau in der Lagermitte gab. Hannah versuchte, Anne mit Lebensmitteln und anderen Dingen, die es in ihrem Lager nicht gab, zu versorgen. Ab Ende Februar gab es diese Treffen dann leider nicht mehr.

Hannah Goslar überlebt mit ihrer kleinen Schwester Gabi als einzige aus der Familie den Holocaust sie zieht 1947 nach Palästina, wird dort Krankenschwester, heiratet und gründet eine große Familie als Antwort auf Hitler und seine Idee, alle Juden auszulöschen.

Hannah Pick-Goslar stirbt am 28. Oktober 2022 in Jerusalem.

Sie ist für uns eine wichtige Zeugin für das Erinnern. Sie hat ihre Geschichte mit uns geteilt, „weil ich überlebt habe und Anne nicht“. Dafür sind wir von Herzen dankbar.

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